angelegt zwischen 1875 und 1901
Der Florentiner Baron Alessandro Kraus (1853-1931) und dessen gleichnamiger Vater befassten sich zeitlebens intensiv mit Fragen zu verschiedenen Fachgebieten, vor allem die Musikgeschichte und Instrumentenkunde betreffend. Kraus (Sohn) plante eine Monographie über die Musikgeschichte der verschiedenen Völker und sammelte ab 1875 gezielt Instrumente aus aller Welt, darunter besonders viele aus Ost-Asien. Kein Wunder, war doch gerade diese Region damals „in Mode“ und inspirierte zahlreiche Künstler in Europa. Stellvertretend sei nur eine der meistgespielten Opern überhaupt genannt: Die „Madame Butterfly“ von Giacomo Puccini (UA 1904), ein Bühnenwerk mit japanischem Sujet unter Verwendung entsprechender Instrumente. Pietro Mascagni gelang zuvor mit seiner ebenfalls in Japan spielenden „Iris“ (UA 1898) nur ein bescheidener Erfolg. Doch ist es interessant, dass sich Mascagni nachweislich direkt bei Kraus in dessen Florentiner Sammlung Anregungen geholt hatte. So ließ er sich ein Tamtam nach einem dort vorhandenen Exemplar anfertigen (Inv.-Nr. 2000, Kriegsverlust). Generell pflegte der Baron regen Umgang mit in- und ausländischen Interessenten und zeigte seine Kollektion gern. Viele fachspezifische Studien basieren auf Recherchen an jenen Klanggeräten (Nachdruck bei: Roberto Leydi und Febo Guizzi, Gli strumenti musicali e l’etnografia italiana (1881-1911), Lucca 1994):
Zu den namhaftesten Gästen zählte auch Curt Sachs (1881-1959), unbestrittene Koryphäe und Pionier auf dem Gebiet der Instrumentenkunde. Im Zusammenhang mit seiner 1904 verteidigten Doktorarbeit über Skulpturen Verocchios in Florenz muss er auch den Baron und seine einmalige Sammlung persönlich bestaunt haben; beschrieb er doch alsbald viele seiner Objekte – unter Verweis auf die Sammlung Kraus - in seinem Standardwerk „Reallexikon der Musikinstrumente“ (Berlin 1913, z.B. S. 201„Kaku-goto, S. 234 Ku).
Alessandro Kraus trug somit in relativ kurzer Zeit eine beachtliche Zahl an Exponaten für sein „Museo etnografico-psicologico-musicale Kraus“ in Florenz zusammen. Zu den „Perlen“ seiner außereuropäischen Abteilung zählten besonders viele japanische und chinesische Stücke, und gerade auf diesem Gebiet erwarb er große Verdienste. Auf der Weltausstellung in Paris 1878 erhielt er eine Goldmedaille für eine Studie über japanische Musik (La musique au Japon, Firenze 1878) sowie die Große Medaille der ethnographischen Sektion für seine Instrumentensammlung.
Kraus hatte seinen gesamten Bestand außerdem in einem eigenen Katalog publiziert:
Hier finden sich Eintragungen von insgesamt 205 außereuropäischen Instrumenten. Allein 117 von ihnen stammen aus Asien, und davon wiederum 96 (also der weitaus größte Teil) aus Japan, China, Korea, Vietnam und Thailand. Jener Katalog stellt allerdings eher eine Auflistung dar; die sehr knappen Instrumentenbezeichnungen (ohne Maße oder andere charakteristische Eigenheiten) erlauben nicht immer die exakte Zuordnung zu einem heute in der Leipziger Sammlung befindlichen Instrument. Doch boten originale Papier-Aufkleber von Kraus sowie historische Fotos eindeutige Hinweise auf die Herkunft vieler Objekte. Insgesamt lassen sich 56 heute in Leipzig befindliche Instrumente eindeutig und weitere 10 (in der Liste mit * gekennzeichnet) mit großer Wahrscheinlichkeit der Sammlung Kraus zuordnen:
Inv.-Nr. 2213 | Laute Gimbri | Inv.-Nr. 2345* | Zither Quin |
Inv.-Nr. 2223 | Streichlaute Rabab | Inv.-Nr. 2348* | Zither Ichigen-kin |
Inv.-Nr. 2234 | Flöte Uffata (Nay) | Inv.-Nr. 2352 | Zither Nigenkin |
Inv.-Nr. 2235 | Flöte Nai | Inv.-Nr. 2353 | Zither Atzumakoto |
Inv.-Nr. 2237 | Klarinette Arghul | Inv.-Nr. 2354 | Zither Go-kin |
Inv.-Nr. 2244* | Oboe Zurna | Inv.-Nr. 2355 | Zither Wagon |
Inv.-Nr. 2245* | Oboe Zurna | Inv.-Nr. 2357 | Streich-Zither |
Inv.-Nr. 2253 | Schellentrommel | Inv.-Nr. 2369 | Röhrenzither |
Inv.-Nr. 2254 | Schellentrommel | Inv.-Nr. 2370 | Röhrenzither |
Inv.-Nr. 2255 | Schellentrommel | Inv.-Nr. 2372 | Zither Tsuma-koto |
Inv.-Nr. 2264 | Klangschale | Inv.-Nr. 2376 | Zither Kakugnoto |
Inv.-Nr. 2265 | Rassel | Inv.-Nr. 2380 | Streichlaute Nisen |
Inv.-Nr. 2266 | Zimbeln Kas | Inv.-Nr. 2387 | Längsflöte |
Inv.-Nr. 2267 | Zimbeln Kas | Inv.-Nr. 2388 | Flöte Hitoyogiri-Shakuhachi |
Inv.-Nr. 2275 | Röhrenzither | Inv.-Nr. 2390 | Flöte Hitoyogiri-Shakuhachi |
Inv.-Nr. 2277 | Zither Ðàn tranh | Inv.-Nr. 2391* | Flöte Shakuhachi |
Inv.-Nr. 2282 | Nasenflöte | Inv.-Nr. 2394* | Flöte Hichiriki |
Inv.-Nr. 2285 | Röhrenzither | Inv.-Nr. 2398 | Flöte Hitoyogiri-Shakuhachi |
Inv.-Nr. 2286 | Schnabelflöte Surune | Inv.-Nr. 2405 | Oboe Sona |
Inv.-Nr. 2287 | Schnabelflöte Bangsi | Inv.-Nr. 2406* | Mundorgel Sheng |
Inv.-Nr. 2289 | Doppel-Pfeife | Inv.-Nr. 2409 | Mundorgel Sho |
Inv.-Nr. 2290 | Doppel-Pfeife | Inv.-Nr. 2410 | Mundorgel Feng-Xiao |
Inv.-Nr. 2293 | Bambusklarinette | Inv.-Nr. 2411 | Mundorgel |
Inv.-Nr. 2294 | Klarinette Pungi | Inv.-Nr. 2423 | Schneckenhorn Horagai |
Inv.-Nr. 2297 | Xylophon Ranat | Inv.-Nr. 2242* | Klarinette Zummara |
Inv.-Nr. 2312 | Laute Sanxian | Inv.-Nr. 2437 | Rahmentrommel |
Inv.-Nr. 2314 | Laute Sanxian | Inv.-Nr. 2438 | Rahmentrommel |
Inv.-Nr. 2315 | Laute Kao tari | Inv.-Nr. 2458* | Tempelblock Muyu |
Inv.-Nr. 2318* | Teil einer Laute Shamisen | Inv.-Nr. 2529 | Streichzither Apachen-Geige |
Inv.-Nr. 2324 | Laute Shamisen | Inv.-Nr. 2541 | Flötenattrappe |
Inv.-Nr. 2331 | Laute Yueqin | Inv.-Nr. 2542 | Doppel-Gefäßflöte (Pfeifgefäß) |
Inv.-Nr. 2333 | Laute Krajappi | Inv.-Nr. 2545 | Außenspaltflöte/ Apachen-Flöte |
Inv.-Nr. 2335 | Laute Ruanxian | Inv.-Nr. 2559 | Rahmentrommel mit Muschelbehang |
Im Jahre 1908 verkaufte Kraus einen Teil seiner überaus kostbaren Kollektion an Wilhelm Heyer in Köln. Im Zusammenhang mit dem Erwerb der Heyerschen Sammlung durch die Universität Leipzig im Jahre 1926 gelangten die Instrumente an ihren heutigen Standort. Leider erwiesen sich gerade in diesem Sammlungsbereich die Verluste während des II. Weltkrieges als dramatisch: Von ehemals 205 außereuropäischen Instrumenten blieben 66 erhalten. Von den auf einem historischen Foto von 1907 festgehaltenen Objekten Nordamerikas sind z.B. nur die Flöten der Nummern 3,5 und 6 sowie die Apachenfiedel Nr. 9 erhalten geblieben, während die übrigen 7 Instrumente verloren gingen.