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Einführung
In den Jahren zwischen 1585 und 1594 erfuhr der Chorraum des Freiberger
Doms, der bereits seit 1541 Begräbnisstätte der wettinischen Fürsten
war, nach Entwürfen des Künstlers Giovanni Maria Nosseni (1544-1620)
eine glanzvolle Umgestaltung im Stil der italienischen Spätrenaissance.
Dabei wurden den Engelsputten in 12 Metern Höhe, direkt unter dem
Gewölbe, Musikinstrumente in die Hände gegeben. Diese 30 Instrumente
waren vor 400 Jahren größtenteils spielbar oder zumindest zum
Musizieren vorgesehen, und ihr originaler, bis heute nahezu
unveränderter Zustand macht sie zu einem einzigartigen Ensemble des 16.
Jahrhunderts. Die zum Teil sogar signierten Saiteninstrumente wurden in
dem südlich von Freiberg gelegenen Randeck hergestellt, die
Blasinstrumente könnten einem Freiberger Drechsler zugeschrieben
werden. Vorbilder für die erstaunlich maß- und detailgetreuen
Attrappen, beispielsweise die hölzernen Posaunen, waren zumeist
ebenfalls Werke sächsischer Instrumentenbauer.
Instrumente
1 Kleine Diskantgeige, 1 Diskantgeige, 1 Tenorgeige, 2 Bassgeigen, 4
Cistern, 4 Lauten, 3 Harfen, 2 Posaunen (Attrappen), 3 krumme Zinken
(Attrappen), 3 Schalmeien, 2 gerade Zinken, 2 Schellentrommeln
(Attrappen), 2 Triangel (Attrappen)
Die Instrumente dokumentieren vor allem die ältere sächsische Tradition und ihre beginnende Synthese mit modernen italienischen Einflüssen. Des Weiteren schlagen sie die Brücke vom Musizieren in den Wirtshäusern über die Praxis der erzgebirgischen Bergsänger bis hin zur Dresdener Hofmusik. So stellen auch die nach Nossenis Wünschen singenden und "mit allerley Seitenspiel und Instrumenten" musizierenden Engelsputten kein bestimmtes Ensemble dar, sondern widerspiegeln eher die Vielfalt typischer instrumentaler und vokal-instrumentaler Kombinationen: die der "Cantoreyen" und "Instrumentalisten", der Bläserchöre mit Posaunen, Zinken und Schalmeien, des Streicherensembles sowie der Gruppe der Bergsänger mit ihren Zistern, kleinen Geigen und Harfen, Trommeln und Triangeln, wie sie um 1600 in den Kirchen, zu festlichen Aufzügen oder zu Hochzeiten erklungen sein könnten.
Im Zuge der Renovierung der Begräbniskapelle im Jahre 2002 musste ein Gerüst gebaut werden, so dass die Originalinstrumente zugänglich wurden. Dadurch ergab sich die einmalige Möglichkeit, ein seit Jahren laufendes Forschungsprojekt zu intensivieren.
Ansprechpartner: Dr. Veit Heller
Ziele
Technische Zeichnungen
Kopien der technischen Zeichnungen können nach Absprache bestellt werden.
Ausstellungen
Dem Klang auf der Spur: musikalische Ensembles im Forschungsprojekt
Musica Freybergensis ist eine Gruppe von spezialisierten Musikern, die für dieses Projekt vom Museum für Musikinstrumente der Universität Leipzig und dem Label Raumklang ins Leben gerufen wurde, um nach der wissenschaftlichen Untersuchung der Freiberger Instrumente ihren Klang und ihre Spielweise auf exakten Kopien und Rekonstruktionen auch in der Praxis zu erproben.
Wenngleich im Freiberger Instrumentarium eine Reihe kleiner Formationen der instrumentalen Praxis des 16. Jahrhunderts enthalten sind, symbolisieren doch die Engel in ihrer Gesamtheit weniger eine reale zeitgenössische Großbesetzung als eher ein Himmelsorchester zum Lobe Gottes.
Den Musikern unter der Leitung von Roland Wilson - international bekannt als Leiter der beiden Ensembles "Musica Fiata" und "La Capella Ducale" - obliegt somit auch die Aufgabe, das mögliche musikalische Repertoire, das auf diesen Instrumenten auch in ganz unterschiedlichen sozialen Zusammenhängen erklungen sein könnte, zu rekonstruieren. Die Konzentration ist dabei auf das Musikleben in Sachsen, speziell in der Umgebung Freibergs und am Dresdener Kurfürstenhof vor 1600 gerichtet. In seinen Konzerten und auf der 2005 erschienen Doppel-CD erweckt das Ensemble die Freiberger Instrumente in vielfältigen Kombinationen zu neuem klanglichen Leben.
Das Ensemble Chordae Freybergensis konzentriert sich auf die im Freiberger Instrumentarium enthaltene Violinfamilie: Das Spiel auf den authentischen Geigenkopien eröffnet die besondere Gelegenheit, eine selten erklingende Epoche der Musikgeschichte zu beleuchten. Die Untersuchung und der Nachbau der "Engelsinstrumente" aus Freiberg schuf die Basis, auf der nun die Musiker in der Praxis weiterforschen. Es geht nicht nur um einen vergessenen Klang sondern auch um eine wieder zu entdeckende Spieltechnik.
Die fünf Geigeninstrumente (ein Quintett in Quartlage) haben durch die fachgemäße, vorurteilslose Bespielung einen wunderschönen Klang erworben, der zwischen Gambe und Geige zu suchen ist. Ziel der praktischen Forschung von Chordae Freybergensis ist es, über Kriterien, die den Klang und das Spiel bestimmen (wie Besaitung, Bogenbehaarung, Haltung von Instrument und Bogen, Stricharten etc.), sowie durch ausgiebige Quellenkunde zu erfahren, zu welchen Anlässen und in Verbindung mit welcher Musik diese Instrumente erklungen sein könnten.
Unter der Leitung von Susanne Scholz, Professorin für Barockgeige an der Hochschule für Musik und Theater Leipzig, unterstützt das Ensemble Chordae Freybergensis das Forschungsprojekt mit der praktischen Erforschung von Spieltechniken und Klangvorstellungen bezüglich der Streichinstrumente im 16. Jahrhundert.
Konzerte
Musica Freybergensis
16./17. Mai 2004 "Tag der Mitteldeutschen Barockmusik 2004" Konzert im Freiberger Dom
9. Juli 2004: Torgau, 2. Sächsischen Landesausstellung
10. Juli 2004: Wittenberg
8. Mai 2005: Wissenschaftliche Tagung im Kloster Michaelstein: Vortrag und Konzert
27.Okt. 2005: Kassel
15. Juni 2007: Quedlinburg
22. September 2007: Freiberg, Bläser der Musica Freybergensis
Chordae Freybergensis
16. Mai 2006: auf dem Festival "Echi Lontani - Alte Musik an historischen Schauplätzen" in Cagliari, Italien vom 13.-16. Mai 2006, Konzert und Vortrag
18. Mai 2006: im Rahmen der Ausstellung "Wenn Engel musizieren" in Freiberg; Vortrag und Konzert
2. Dezember 2006: Ausstellungseröffnung "Engelschöre und Höllenkrach" am Gustav-Lübcke-Museum in Hamm, Vortrag und Konzert
29. September 2007: Freiberg, Dom (im Rahmen des Bachfestes Freiberg),
4. Juli 2008: Gent (Ausstellung, Vortrag und Konzert)
Literatur
Die Grundlagen zu den Instrumenten sind in der Publikation
von Herbert Heyde und Peter Liersch zusammengefasst (Studien zum
sächsischen Musikinstrumentenbau des 16./17. Jahrhunderts. Jahrbuch
Peters, 1979, S. 233-251).
Neuere
Erkenntnisse zum Forschungsthema mit zahlreichen, bisher nicht
veröffentlichten Fotos in hervorragender Qualität sind in dem
Buch "Wenn Engel Musizieren - Musikinstrumente von 1594
im Freiberger Dom", hrsg. v. E. Fontana, V. Heller, St. Lieberwirth,
4/4 Farben, 96 S., im Jahre 2004 beim Verlag Janos Stekovics erschienen. Die zweite, um englische Zusammenfassungen erweiterte Auflage (104 S.) ist über unseren Shop erhältlich.
Es ist ein umfangreicher wissenschaftlicher Studienband mit zahlreichen Informationen zu allen Bereichen des Projektes geplant.
Tonträger
Eine Doppel-SACD, mehrkanalig aufgenommen vom
Mitteldeutschen Rundfunk, erschien 2005 beim Label Raumklang. Das für
dieses Projekt gegründete Ensemble "Musica Freybergensis" musiziert
unter der Leitung von Roland Wilson auf Kopien und Rekonstruktionen der
Freiberger Instrumente. Es erklingt geistliche und weltliche Musik aus
Sachsen im 16. Jahrhundert. Darunter befindet sich die Ersteinspielung
von Antonio Scandellos "Missa sex vocum super Epitaphium Mauritii" zur
Einweihung des Kenotaphs von Kurfürst Moritz im Jahre 1563.
"Wenn Engel Musizieren - Musikinstrumente von 1594 im Freiberger Dom"
Musica Freybergensis, Leitung: Roland Wilson, Best.-Nr.: RK 2404/5
Forschungspartner
Größere Vorhaben können nur
selten von einem Institut allein ausgeführt werden. Insgesamt nehmen an
dem Projekt etwa 20 Institutionen (Museen, Forschungslabors,
Hochschuleinrichtungen etc.) und ca. 70 Personen aus der gesamten
Bundesrepublik, der Schweiz und den USA teil; für einzelne Detailfragen
wurden weitere Spezialisten einbezogen. An dieser Stelle möchten wir
unseren Dank an alle Projektteilnehmer aussprechen, auch an diejenigen,
die zwar in dem einem oder anderen Team mitgewirkt haben und wertvolles
beigetragen haben, jedoch ihren Namen in dieser Kurzfassung nicht
wieder finden. In mehreren Fällen müssen wir uns auf die federführenden
Leiter der Teams beschränken.
Fachhochschule Köln,
Fachbereich Restaurierung und Konservierung (Friedemann Hellwig); Fokus
GmbH Leipzig, Gesellschaft für Bauvermessung und Fotogrammetrie
(Gisbert Sacher, Gunnar Siedler); Germanisches Nationalmuseum Nürnberg
(Klaus Martius); Händelhaus Halle (Roland Hentzschel, Christiane
Rieche); Institut für Experimentelle Physik I. der Universität Leipzig
(Jörgen Kretzschmar, Peter Lorenz); Institut für Musikinstrumentenbau
Zwota (Gunter Ziegenhals); Institut für Musikinstrumentenforschung
"Georg Kinsky" e.V.; Institut für Spektrochemie und angewandte
Spektroskopie Dortmund (Helgard Staat, Alex von Bohlen, Luzia Seifert);
Landesamt für Denkmalpflege Sachsen (Andreas Schulze); Museum für
Musikinstrumente der Universität Leipzig (Markus Brosig, Eszter
Fontana, Veit Heller, Volker Seumel); Olympus Optical & Co (Europa)
GmbH/Hamburg (Karsten Broda); Ordinariat für Holzbiologie der
Universität Hamburg (Peter Klein, Micha Beuting); Panametrics GmbH,
Mess- und Prüftechnik, Hofheim (Heiko Küchler); Sächsische
Schlösserverwaltung im Landesamt für Finanzen (Ingolf Gräßler) und seit
2003 Staatsbetrieb Sächsisches Immobilien-und Baumanagement,
Niederlassung Chemnitz (Isabella Klemm, Margitta Schade); Stiftung
Kloster Michaelstein (Monika Lustig); Westsächsische Hochschule
Zwickau/ Studiengang Musikinstrumentenbau in Markneukirchen (Andreas
Michel); Zentrum für Radiologie der Universität Leipzig (Frank Schmidt,
Walter Wilke); Stefan Beck, Berlin; Thomas Drescher, Basel; Peter
Forresrter; Herbert Heyde, New York; Martin Kirnbauer, Basel; Claudia
Kunde, Naumburg; Eberhard Meinel, Markneukirchen; Annette Otterstädt,
Berlin; Ute Singer, Brühl; Janos Stekovics, Dößel; Wolfram Steude,
Dresden; Berit Wagner, Halle; Crawford Young, Basel; Für die Kopien
verantwortliche Instrumentenbauer: Sandro Dorst, Sonneberg (Triangel);
Norbert Eckermann, Eggern (Schellentrommel); Fritz Heller, Aachen
(Gerade Zinken); Günter Mark, Bad Rodach (Lauten); Steffen Milbradt,
Meissen (Cistern); Marcus Raquet, Bamberg (Posaunen); Hans Reiners,
Berlin (Bögen); Hans Salger, Bremen (Geigeninstrumente); Thilo Viehrig,
Magdeburg (Harfe); Rainer Weber, Bayerbach (Schalmeien); Roland Wilson,
Köln (Krumme Zinken); Arbeitsgruppe Musik: Susanne Ansorg, Claudia
Konrad, Steffen Lieberwirth, Vertreter der Projektleitung sowie
Mitglieder des Ensembles "Musica Freybergensis" (Roland Wilson - Zink,
künstlerische Leitung; Susanne Scholz - Diskantgeige, Leitung des
Streicherensembles; musikalische Einrichtung und Arrangements von: Ian
Harrison - Schalmei; Sebastian Krause - Posaune; Stephan Rath - Laute;
Susanne Scholz - Diskantgeige; Lee Santana - Cister; Roland Wilson -
Zink)
Projektträger, -leitung, Info
Projektleiter: Veit Heller
Projektkoordinator: Dr. Eszter Fontana
Projektträger: Institut für Musikinstrumentenforschung "Georg Kinsky" e.V.
Information: Museum für Musikinstrumente der Universität Leipzig
Postadresse: Johannisplatz 5-11, D-04103 Leipzig, Tel.: 0341-9730750
e-mail: vheller@uni-leipzig.de
Förderer
Mitteldeutsche Barockmusik e.V. aus Mitteln des Beauftragten
der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und der Medien und
der Länder Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen
Die
Instrumentenkopien wurden mit freundlicher Unterstützung der
Ostdeutschen Sparkassenstiftung im Freistaat Sachsen mit der Sparkasse
Leipzig erstellt.