PAUL DE WIT - TRANSFORMATOR DES GAMBENSPIELS

Konzert mit Thomas Fritzsch (Viola da gamba) und Michael Schönheit (Cembalo, Hammerflügel)

Sa, 14.06.2025, 11:30 Uhr

Im Rahmen des Bachfestes Leipzig 2025 - No 30 / Paul de Wit – Transformator des Gambenspiels

Konzert mit Thomas Fritzsch Viola da gamba (siebensaitig) von Matteo Goffriller, Venedig, 1729) und Michael Schönheit (Cembalo, Hammerflügel)

„Dem verdienstvollen Herrn Paul de Wit, der es als Erster verstanden hat, durch Anschaulichkeit Kunde über die Musikinstrumente und was damit zusammenhängt, jedem Interessenten zu verschaffen und so zur Erkenntnis gelangen zu lassen“

Mit diesen Worten würdigte der Musikhistoriker Hermann Ritter am 16. Januar 1894 im Gästebuch zur Ausstellung historischer Musikinstrumente in Leipzig die Leistung des aus einer vermögenden Maastricher Familie stammenden Verlegers, Violoncellisten, Gambisten und Sammlers Paul Maria Guillaume Joseph de Wit (1852-1925), dessen Todestag sich am 10. Dezember 2025 zum einhundertsten Male jährt. Als Volontär kam de Wit 1879 in den Musikverlag von Christian Friedrich Kahnt nach Leipzig, begründete in der Stadt 1880 seinen eigenen Verlag und zeitgleich die „Zeitschrift für Instrumentenbau“, welche Forschungsergebnisse der Instrumentenkunde und -technik, Textbeiträge, technische Zeichnungen, Abbildungen, Tabellen und Annoncen der Instrumentenhersteller und Zulieferer enthielt. Als geniale Idee Paul de Wits erwies sich die Herausgabe des „Weltadreßbuches der Musikinstrumenten-Industrie“ (1. Auflage 1883).

Der leidenschaftliche Sammler alter Musikinstrumente konnte 1893 im Leipziger Thomaskirchhof 16 (Bosehaus) sein eigenes „Musikhistorisches Museum“ eröffnen. Ständig kaufte er in ganz Europa historische Musikinstrumente auf, ließ diese in der dem Museum angegliederten Werkstatt wieder herrichten, veröffentlichte Kataloge seiner Sammlung und veräußerte einen Teil der historischen Instrumente 1888 und 1890 an die Königliche Hochschule für Musik in Berlin. Als nach weiteren Ankäufen de Wits die Sammlung aus allen Nähten zu platzen drohte und die Stadt Leipzig ihm lediglich Kellerräume im Grassi-Museum zur Verfügung stellen wollte, veranlaßte dies Paul de Wit, seine Kollektion an den Kölner Kunstsammler und Papierfabrikanten Wilhelm Heyer zu veräußern. 1926, ein Jahr nach dem Tode Paul de Wits, gelang die Rückführung der historischen Musikinstrumente nach Leipzig, wo sie den Grundstock des heutigen Musikinstrumenten-Museums im Grassi-Museum bilden.

Für Paul de Wit waren die historischen Musikinstrumente stets klingende Zeugnisse vergangener Zeiten, deren Schönheit er seinen Zeitgenossen nicht nur vor Augen führen, sondern zu Gehör bringen wollte. Als Gambist musizierte Paul de Wit in ganz Europa und erwarb sich einen klangvollen Namen. Bei den Leipziger Karfreitagsaufführungen der Bachschen Passionsoratorien musizierte Paul de Wit bereits in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Gambensoli mit großem Beifall wieder auf einer Viola da gamba. Mit den musikalischen Größen seiner Zeit (u.a. Franz Liszt und Gewandhausorganist Paul Homeyer) verbanden ihn enge und freundschaftliche Bande. Eine schwer zu überblickende Zahl an Artikeln in Zeitungen und Zeitschriften über de Wits Konzerttätigkeit überliefert den Literaturkanon seiner Konzerttätigkeit: Originäre Gambenwerke (z.B. von Marin Marais und Carl Philipp Emanuel Bach) nahmen einen kleinen Anteil ein, eigene und fremde Bearbeitungen der Musik vergangener Epochen und Transkriptionen zeitgenössischer Werke bildeten einen gewichtigen Anteil, der durch Originalkompositionen noch lebender und schaffender Komponisten für historische Instrumente sinnvoll ergänzt wurde. Trotz persönlich erlebter Traditionsunterbrechung führte Paul de Wit damit das auch im 19. Jahrhundert nicht gänzlich verstummte Gambenspiel ins 20. Jahrhundert weiter. Für das Musikleben Leipzigs und für die heute selbstverständlich gewordene Musizierpraxis auf Originalinstrumenten der jeweiligen Epoche sind Paul de Wits Verdienste gar nicht hoch genug einzuschätzen.

Um Paul de Wits Gamben-Repertoire zum Klingen zu erwecken, bedarf es der Editionen, Erstausgaben und Bearbeitungen, nach denen er musizierte, und Kenntnis seiner Fingersatz- und Bogentechnik. Viele dieser mit Fingersatz- und Strichbezeichnungen angefüllten Editionen aus den letzten drei Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts konnte ich finden. Damit schließe ich in der Rezeptionsgeschichte der Viola da gamba die letzte noch bestehende Lücke zwischen der romantischen Gambe und dem 20. Jahrhundert.

Thomas Fritzsch



                                                                                                                                                                                                             Programm:

Aus Paul de Wits Repertoire

Louis de Caix d’Hervelois

(1680-1759)

Altfranzösisches Weihnachtslied für Viola da gamba und Cembalo

Bearbeitung von Paul de Wit, 1883, und Walter Schulz des

Prèlude. Lentement aus Second Livre de Pièces de Viole avec la Basse Continue

Carl Philipp Emanuel Bach

(1714-1788)

Sonate g-Moll Wq 88 für Viola da gamba und konzertierendes Cembalo

Erstausgabe in der Bearbeitung von Friedrich Grützmacher, 1881

Allegro moderato – Larghetto – Allegro assai

Johann Sebastian Bach

(1685-1750)

Air aus der Orchestersuite Nr. 3 D-Dur BWV 1068

Bearbeitung für Viola da gamba und Pianoforte von Hugo Becker, 1883 / 1889

Lento

Pause

Georg Friedrich Händel

(1685-1759)

Sonate C-Dur für Viola da gamba und Cembalo

Erstausgabe in der Bearbeitung von Friedrich Grützmacher, 1876

Andante von moto – Allegro moderato – Adagio – Vivace ma poco

Joseph Haydn

(1732-1809)

I er Divertissement pour Baryton A-Dur Hob. XI:38

Bearbeitung für Viola da gamba und Pianoforte von C.A. Pierre Ruyssen, 1892 /

ca. 1920

Un poco andantino avec quatre variations – Menuet. Vivace – Final. Presto)

John Field

(1782-1837)

Nocturne Nr. 9 e-Moll H.46

Bearbeitung für Viola da gamba und Pianoforte von Friedrich Hermann, 1880 / 1884

Adagio

Franz Liszt

(1811-1886)

Consolation Nr. 3 E-Dur S.172

Bearbeitung für Viola da gamba und Pianoforte von Jules de Swert, 1870 / 1882

Lento placido


Thomas Fritzsch musiziert in den europäischen Konzertsälen ebenso wie auf den Podien der Metropolen New York, Boston, Tokio, Seoul, Abu Dhabi, Dubai, Havanna, Hongkong, Shanghai und Jerusalem. Mit Leidenschaft und brillantem historischem Wissen sucht, entdeckt und ediert Thomas Fritzsch verschollene und vergessene Werke der Gambenliteratur. Seine spektakulären Erstaufführungen und CD-Einspielungen von Notenfunden Johann Christian Bachs, Carl Friedrich Abels, Georg Philipp Telemanns, Joseph Fialas, Dieterich Buxtehudes und von Gambenmusik des 19. Jahrhunderts wurden u .a. mit dem Echo Klassik 2017 und einem Choc de Classica 2019 ausgezeichnet und erregten weltweites Aufsehen in der Musikszene. Als internationaler Werbeträger für die Musik von Bach und Abel wurde Thomas Fritzsch 2014 zum Botschafter der Bach-Abel-Stadt Köthen ernannt und 2017 zum Sonderbotschafter des Burgenlandkreises berufen. 

Michael Schönheit studierte Dirigieren, Klavier und Orgel an der Hochschule für Musik Leipzig. 1984 war er Preisträger des VII. Internationalen Johann-Sebastian-Bach-Wettbewerbs Leipzig im Fach Orgel. Von 1985 bis 1991 war er als Organist und Kantor in Saalfeld tätig. 1986 wurde er zum Gewandhausorganisten berufen. Hier umfasst sein Wirkungsbereich die Gestaltung der Gewandhausorgelkonzerte, thematischer Zyklen, die Mitwirkung in den Gewandhauskammermusiken sowie Auftritte als Solist mit dem Gewandhausorchester. 2023 spielte Michael Schönheit die erste Aufführung des Orgelkonzertes von Walter Braunfels im Gewandhaus seit dessen Uraufführung im Jahre 1928 in Leipzig. Seit 1994 ist Michael Schönheit künstlerischer Leiter der Merseburger Orgeltage, seit 1996 Domorganist in Merseburg. 1998 gründete er das Ensemble Merseburger Hofmusik. Von 1998 bis 2005 leitete Michael Schönheit den Carl-Philipp-Emanuel-Bach-Chor Hamburg. Michael Schönheit ist ein international gefragter Gastorganist. Seine Konzerttätigkeit erstreckt sich über die europäischen Länder hinaus bis in die USA und nach Japan. Als Solist trat er neben dem Gewandhausorchester auch bei der Sächsischen Staatskapelle Dresden, den Münchner Philharmonikern und dem New York Philharmonic Orchestra auf. Seit vielen Jahren ist Michael Schönheit Mitglied im Präsidium der Silbermanngesellschaft Freiberg; Rundfunk-, Fernseh- und CD-Produktionen ergänzen sein vielseitiges künstlerisches Wirken.

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